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Internationaler Landjugendaustausch

Austausch
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Melken, Lachen, Karten Spielen...


Moi moi, hier kommt mein Reisebericht aus Haapajärvi, einer 'kleinen Stadt' mit etwa 7'400 Einwohnern (nicht weit entfernt von Ylivieska).

 

Mein erster Gastfamilienwechsel verlief äusserst reibungslos, logisch, denn ich wurde von meiner ersten Hostmam Päivi zu Tiina und Hannu Pietikäinen und ihren Kindern Otto (12), Vilho (10), Iita (8), Elo (6), Tenho (4) und Hilma (2) gefahren. Sofort fuehlte ich mich zuhause bei ihnen, denn diese Kinder hier sind gar nicht etwa scheu, im GEGENTEIL. Schon am meinem zweiten Tag bei ihnen spielten sie mit mir, als ob das ganz alltäglich wäre, sie sprechen die ganze Zeit Finnisch mit mir, obwohl ich nur einen sehr kleinen Teil verstehe, ach ja, und sie kitzeln mich äusserst gern zu dritt, bis ich schliesslich in meine Wohnung hoch fliehe. - Wohnung genau, mit drei Betten, einem eigenen Bad, einer kleinen Kueche, denn ihr Haus besteht aus zwei ziemlich geräumigen Wohnungen. In der Wohnung im ersten Stock lebten bis im letzten Herbst die Eltern von Hannu, jetzt sind sie in einem Haus im Haapajärvi Zentrum zuhause. Zu Beginn fuehlte ich mich, alleine im oberen Stock, schon ein wenig isoliert, aber bald genoss ich diese Rueckzugsmöglichkeit (nicht zuletzt damit ich all meine Erlebnisse und Gedanken zu Papier bringen kann...).

 

Pietikäinens haben 48 Milchkuehe (zurzeit gerade nur 46) und ungefähr ebensoviele Heifars, also Jungkuehe (1-2-jährig), sowie einen stattlichen Bullen. Der Kuhstall ist etwa zwei bis drei Kilometer vom Wohnhaus entfernt; bei letzterem sind die zwei alten Hunde Pepsi und Raiku in ihren Hundehuetten untergebracht, angekettet, und Piko, 3-jährige Huendin der Rasse Sao Miguel Fila, ist immer in der Nähe, wenn jemand draussen etwas werkt. Das tun Otto und Vilho am liebsten, sie konstruieren neue Fahrräder, versagen lange Latten (zu Brennholz), bauen sonstige Dinge. Traktore sind ihre Leidenschaft, während Iita eher ein Pferdefan ist ;)

 

Die Arbeitszeiten im Kuhstall sind von etwa 5.30-9.00 (Melken so frueh wie möglich) und 15.30-19.00 (Melken um 17.00); danach richten sich die Mahlzeiten der Familie: Fruehstueck um 9.00, ueber den Mittag etwas kleines, Obst, grosse Mahlzeit um 15.00, und schliesslich am Abend um etwa 20.00 nochmal etwas kleines. Zum Fruehstueck kocht Otto immer Porridge (Haferbrei), den habe ich mittlerweile richtig gerne ;)

 

Am Abend des 8.7., dem Freitag, als ich zu Pietikäinens kam, erlebte ich mit den Kindern gleich als erstes eine herrliche Wasserschlacht am nur wenige Schritte entfernten Sandstrand am Ufer des Varisjärvi (durch den uebrigens der Kalajoki fliesst), danach gingen wir per Auto zur Insel Isosaari, wo wir zusammen mit einer Gruppe Leute eine Fuehrung bekamen (war auch fuer mich interessant, da die Info-Schilder jeweils eine englische Uebersetzung beinhalteten).

 

Am nächsten Morgen schlief ich aus, lachte mit den Kindern, schrieb in Iitas Freundebuch und erfuhr viel ueber Tiinas Familie: Sie hat 6 juengere Schwester und 7 juengere Brueder!! Kein Wunder, denn sie sind ebenfalls Konservative Laestadianer, wie meine letzte Gastfamilie. Am Nachmittag ging ich mit in den Kuhstall, um zum ersten Mal in meinem Leben eine Kuh zu melken (naja, die Melkmaschine anzuhängen halt): Ich kriegte einen Overall, Gummistiefel und eine Muetze, sowie Arbeitshandschuhe zum Silage/Heu/Stroh-Verteilen und Gummihandschuhe zum Melken. Tja, meine Melkversuche waren mehr oder weniger erfolgreich (Tiina muss bis zum heutigen Tag einige Geduld mit mir haben), aber Spass macht es allemal.

 

Am Sonntag ging ich mit in den Morgenstall, ich konnte um 4.45 problemlos aufstehen (also das ist nicht unbedingt der Normalfall...). Nach dem Mittag besuchten wir die zweitälteste von Tiinas Geschwisterschar, Ulla, und ihre Familie. Nach dem Abendstall (gehe wieder mit) besuchen wir eine Freundin Tiinas. Während dieses Besuches kitzeln mich Iita, ihre Freundin Henrica und Tenho fast zu Tode. Iita ist wirklich wunderbar, wie eine liebenswerte, immer fröhliche kleine Schwester. Sie versteht immer mehr, dass sie langsam und klar sprechen muss und simple Worte gebrauchen muss, um mir etwas zu erklären. Natuerlich wurden meine Finnischkenntnisse durch die Kinder eindeutig erweitert, auch Otto, der seit drei Jahren Englisch in der Schule hat, spricht nie mit mir Englisch. Das tut dafuer ja Tiina, sie erzählt mir sehr viel, beantwortet ausfuehrlich alle meine Fragen, und sie lacht auch sehr gerne und viel. (Zum Beispiel, dass ich nach zwei konservativ laestadianischen Familien vermutlich auch eine dritte haben werde, fand sie urkomisch.)

 

Die nächsten Tage ging ich meistens einmal pro Tag mit in den Kuhstall, wo ich auch mit Sonja zusammenarbeitete, die bei Pietikäinens anderthalb Jahre Ausbildung absolviert hat und nun bei ihnen angestellt ist, sonst blieb ich bei den Kindern. (Iita fragte mich TÄGLICH: 'Menetkö navettan?' (Gehst du in den Kuhstall?), und sagt dann 'no no no cowhouse', weil sie will, dass ich bleibe. Sie passt zuhause immer auf Hilma auf, jetzt in den Ferien, und auch von den Jungs kommen nur Elo und Tenho ab und zu in den Stall mit.) Ich bekam Besuch von der 4H-Leaderin von Haapajärvi persönlich, ging selber Tamara Lehmann besuchen, die derzeit auch in Haapajärvi bei einer Gastfamilie lebt - das war ein sehr angeregtes Gespräch, tat gut, Mundart zu plaudern ;) ausserdem wurden wir beide bei der Gelegenheit von einer Reporterin der 'Maaselkä', der zweimal wöchentlich erscheinenden Zeitung von Haapajärvi und Reisjärvi, interviewt und fotografiert, der Artikel erschien letzte Woche. In Haapajärvi zeigte mir Tiina die Kirjasto (ich lieh ein Buch von Tove Jansson, der Erfinderin der beruehmten Mummins, aus), die Kirkko, eine Exhibition vom Leben und Wirken des Skifahrers Mika Myllylä in der 'Townhall', das Haus (heute Museum), wo der erste Präsident Finnlands aufgewachsen ist (Kaarlo Juho Stahlberg). Natuerlich gingen wir auch einkaufen, in die Halpa-Halli und den K-Supermarket Haapajärvi, und ich besuchte auch drei Secondhandshops - in einem davon erstand ich eine Kaffebeutel-Tasche, ein Recylingstueck mit einzigartigem Charme.

 

Ein besonderes Erlebnis war der Besuch bei Tiinas Eltern Tarja und Jorma und ihren juengsten Kindern (die juengste Schwester Tiinas ist 9 Jahre alt): Sie haben ein kleines Heim-Museum, Gegenstände, die seit Generationen in Familienbesitz sind, wie zwei uralte Bibeln und ein Ericsson Telefon, Dinge aus dem 2. Weltkrieg. Auch ihr Wohnhaus selber ist ein Relikt, in dem by the way 13 IFYEs ihren Aufenthalt genossen!

 

Das Wetter war einige Tage richtig schön, um die 30 Grad im Plus, dann gingen wir schwimmen; wenn man in einem Kuhstall arbeiten muss, ist dieses Wetter nicht gerade angenehm, aber Hannu meinte darauf, im Winter sei es dafuer 30 Grad im Minus (sogar bis zu minus 45 Grad, wie Tiina erwähnte!!). Ja, Hannu, mit ihm spreche ich leider so gut wie nie, weil er kein Englisch kann; da ist es ähnlich wie mit Ismo, meinem letzten Gastvater. Aber ich habe mitgekriegt, dass er einen recht schwarzen Humor hat und ein wunderbarer Vater ist ;) wenn die Kinder im Auto sind, fährt er oft in Schlenkern zur ihrer Freude - während ich und Tiina 'Älä viitsi! - Lass das!' rufen... Tiina hat mir uebrigens zwei sehr amuesante und suechtig-machende Spiele mit Uno-Karten (West's Quickliest) beigebracht - oft verbringen wir zu zweit eine Stunde mit Kartenspielen, wenn die Kinder im Bett sind (sind sie meist zwischen 21.00 und 21.30), oder auch nur mit Plaudern und Lachen.

 

Am letzten Wochenende hatte ich uebrigens ein Wiedersehen mit meiner letzten Gastfamilie Jutila, da in Reisjärvi ebenfalls Services stattfanden, welche wir zwischen den Kuhstall-Zeiten besuchten (dieses Camp besuchten 'nur' 17'000 bis 18'000 Gläubige) - das fand ich sehr schön. Das Wetter allerdings war kuehl und regnerisch, die letzten Tage vorherrschend. Was solls, Ice Cream gibt's trotzdem: Pietikäinens essen zwar kaum Suessigkeiten (mir zuliebe kaufte Tiina je ein Päckchen Lakritze und Salmiakki, um den Unterschied zu testen - wäre nicht nötig gewesen, ich (er)trug es aber mit Fassung), aber jede Menge Glacé, und kauen andauernd Kaugummis ;). Das richtige Essen hat meist einfache, bodenständige Form: Eintopf, Kartoffelstock, Milchreis, eine Art Nudelauflauf... und immer viel Milch und Kuhfleisch aus dem eigenen Stall.

 

Nun, die Zeit fliegt, heute ist der 20. heinäkuuta und in drei Tagen beginnt schon die IFYE-Konferenz. Ich bedaure es wirklich sehr, dass ich nicht länger bleiben kann bei dieser Familie, die ich von der ersten Stunde an ins Herz geschlossen habe.

 

Bis im August, terveisin,

eure Natascha

 

PS: Diesmal leider ohne Bild...

 

PPS: Ich wuensche euch allen einen geselligen, sonnigen 1. August!